Langzeitbeziehungen: Strategien gegen das Beziehungstief
In meiner Praxis begegne ich häufig Paaren, die nach Jahren des Zusammenseins ein Beziehungstief erleben. Die anfängliche Leidenschaft weicht dem Alltag, und viele fragen sich, wie sie ihre Partnerschaft wieder beleben können. Ulrich Clement, einer der führenden deutschen Paar- und Sexualtherapeuten, betont, dass sexuelle Langeweile in langjährigen Beziehungen keine Seltenheit ist. In seinem Buch Guter Sex trotz Liebe gibt er konkrete Anregungen, wie Paare den Teufelskreis der Unlust durchbrechen und eine neue, aufregende Phase in ihrer Partnerschaft einleiten können.
Kommunikation als Schlüssel
Meine Klient:innen haben die Erfahrung gemacht, dass offene und ehrliche Kommunikation essenziell ist. Das bedeutet, nicht nur über Alltägliches zu sprechen, sondern auch über Wünsche, Bedürfnisse und Ängste. Ein bewährtes Konzept ist hier das Zwiegespräch nach Michael Lukas Moeller. Dabei nehmen sich Paare bewusst Zeit, um abwechselnd und ohne Unterbrechung zu sprechen und zuzuhören. Viele meiner Klientenpaare berichten, dass diese Technik Missverständnisse reduziert und das gegenseitige Verständnis stärkt. Mehr dazu in meinem Blogbeitrag zum Zwiegespräch.
Gemeinsame Aktivitäten wiederentdecken
Ich sehe häufig in der Praxis, dass Paare, die neue gemeinsame Aktivitäten ausprobieren, frischen Wind in ihre Beziehung bringen. Ob ein Tanzkurs, gemeinsames Kochen oder Reisen – das Entdecken neuer Interessen stärkt die Bindung und schafft gemeinsame Erinnerungen. Besonders intensive Erlebnisse mit einem Hauch von Nervenkitzel, wie eine gemeinsame Bergwanderung oder ein Tanzauftritt vor Publikum, können laut der Forscherin Helen Fisher die Ausschüttung von Dopamin und Noradrenalin anregen. Diese Hormone erzeugen ein "Wow, das haben wir gemeinsam geschafft!"-Gefühl, das an die aufregende Anfangszeit der Beziehung erinnert.
Intimität neu definieren
Intimität beschränkt sich nicht nur auf Sexualität. Viele meiner Klientenpaare berichten, dass kleine Gesten wie Berührungen, Umarmungen oder liebevolle Worte im Alltag oft verloren gehen. Ein sehr wirksames Konzept ist die Umarmung bis zur Entspannung von David Schnarch. Dabei umarmen sich die Partner so lange, bis sie sich wirklich entspannen können. Diese Form der Zuwendung fördert die emotionale Nähe und hilft, Stress abzubauen. Mehr dazu in unserem Blogartikel zur Umarmung bis zur Entspannung.
Hormone und der Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe
Helen Fisher, eine führende Anthropologin in der Liebesforschung, beschreibt den Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe als einen chemischen Prozess im Gehirn. Während in der Phase der Verliebtheit vor allem Dopamin und Noradrenalin ausgeschüttet werden, was euphorisierende und suchthafte Gefühle auslöst, dominiert in langjährigen Beziehungen das Bindungshormon Oxytocin. Dieses sorgt für Geborgenheit und tiefe emotionale Verbundenheit. Viele meiner Klient:innen fühlen sich verunsichert, wenn die anfängliche Leidenschaft nachlässt, doch das bedeutet nicht das Ende der Liebe. Vielmehr ist es eine Chance, die Beziehung auf eine neue Ebene zu heben, in der Vertrauen und emotionale Nähe im Vordergrund stehen.
Professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen
Es ist kein Zeichen von Schwäche, professionelle Hilfe zu suchen. Ein erfahrener Therapeut kann dabei unterstützen, festgefahrene Muster zu erkennen und neue Wege aufzuzeigen. Wie Ulrich Clement in seinem Buch Wenn Liebe fremdgeht erläutert, können auch schwierige Themen wie Affären mit therapeutischer Begleitung aufgearbeitet und als Chance für einen Neuanfang gesehen werden. In meiner eigenen Fortbildung zum Umgang mit Affären habe ich wertvolle Methoden kennengelernt, um Paare in dieser herausfordernden Situation bestmöglich zu begleiten.
Fazit
Ein Beziehungstief muss nicht das Ende bedeuten. Mit Offenheit, gemeinsamen Erlebnissen und gegebenenfalls professioneller Unterstützung können Paare ihre Beziehung revitalisieren und gestärkt daraus hervorgehen.