Umgang mit Affären: Ein Leitfaden für Paare
Affären stellen für viele Paare eine erhebliche Herausforderung dar. In meiner Praxis erlebe ich häufig, wie belastend solche Situationen sein können. Doch mit dem richtigen Ansatz können Paare gestärkt aus dieser Krise hervorgehen – oder erkennen, dass eine Trennung die bessere Entscheidung ist.
Warum entstehen Affären?
Affären haben oft tieferliegende Ursachen. In meiner Arbeit sehe ich immer wieder, dass es nicht nur um Sex geht, sondern um emotionale und psychologische Bedürfnisse. Hier einige häufige Gründe:
Fehlende emotionale Nähe: Eine Affäre kann als Versuch dienen, emotionale Defizite auszugleichen.
Unzufriedenheit in der Beziehung: Wenn Bedürfnisse unerfüllt bleiben, suchen manche Menschen Bestätigung außerhalb der Partnerschaft.
Langeweile oder Routine: Manche erleben eine Affäre als Mittel, um das Gefühl von Lebendigkeit und Abenteuer zurückzugewinnen.
Selbstwertprobleme: Bestätigung von außen kann kurzfristig das eigene Selbstwertgefühl stärken.
Gelegenheit: Manchmal entsteht eine Affäre weniger aus einem bewussten Wunsch heraus, sondern durch eine sich ergebende Situation.
Unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse: Wenn es in der Partnerschaft nicht mehr funktioniert, suchen manche nach sexueller Erfüllung woanders.
Diese Gründe sind oft nur Symptome tieferliegender Beziehungsdynamiken, die reflektiert und bearbeitet werden sollten.
Die Phasen nach der Entdeckung einer Affäre
Nach der Offenlegung einer Affäre durchlaufen Paare oft drei zentrale Phasen:
Krise: Schock, Wut und Trauer dominieren.
Sinngebung: Es wird versucht, die Gründe und Hintergründe der Affäre zu verstehen.
Zukunftsvision: Gemeinsam wird entschieden, wie die Beziehung künftig gestaltet werden soll.
Diese Einteilung hilft, den Prozess zu strukturieren und gezielt an den jeweiligen Themen zu arbeiten.
Perspektiven von Experten
Der renommierte Paar- und Sexualtherapeut Prof. Dr. Ulrich Clement betont, dass Affären nicht zwangsläufig das Ende einer Beziehung bedeuten müssen. Vielmehr können sie als Anlass dienen, die Partnerschaft zu reflektieren und neu zu gestalten. Er rät dazu, einen Seitensprung nicht ausschließlich persönlich zu nehmen, sondern die dahinterliegenden Beweggründe zu erkunden.
Die Therapeutin Esther Perel sieht in Affären eine transformative Kraft. Sie können als Weckruf dienen und dazu beitragen, eingefahrene Beziehungsmuster zu überdenken. Wichtig ist dabei, offen und ehrlich über Bedürfnisse und Erwartungen zu kommunizieren.
Praktische Schritte für betroffene Paare
In meiner Arbeit mit Klientenpaaren haben sich folgende Ansätze bewährt:
Offene Kommunikation: Schaffen Sie einen Raum, in dem beide Partner ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken können.
Professionelle Unterstützung: Eine Paartherapie kann helfen, festgefahrene Muster zu erkennen und neue Wege zu finden.
Geduld und Zeit: Heilung braucht Zeit. Es ist wichtig, sich diese zu nehmen und den Prozess nicht zu überstürzen.
Viele meiner Klient:innen berichten, dass sie durch diese Schritte nicht nur die Affäre überwunden, sondern auch eine tiefere Verbindung zueinander aufgebaut haben.
Wenn die Trennung der bessere Weg ist
Nicht jede Beziehung überlebt eine Affäre – und das ist nicht immer eine schlechte Sache. Manchmal zeigt eine Affäre auf, dass grundlegende Probleme bestehen, die sich nicht lösen lassen. In solchen Fällen kann eine Trennung der ehrlichere und gesündere Schritt sein. Die Affäre war dann lediglich ein Katalysator für eine Entscheidung, die vielleicht schon lange in der Luft lag.
Die Rolle des Therapeuten: Neutralität und Empathie bei der Begleitung von Paaren, die mit einer Affäre zu tun haben
In der Begleitung von Paaren, die mit einer Affäre konfrontiert sind, ist es für mich als Therapeutin von größter Bedeutung, nicht parteiisch zu sein. Beide Partner bringen ihre eigenen Perspektiven, Beweggründe und Gefühle mit, die gehört, respektiert und verstanden werden müssen. Es ist essenziell, dass ich nicht in die Rolle eines "Richters" schlüpfe, sondern als neutraler Begleiter das Paar unterstütze, ihre eigenen Lösungen zu finden und Wege zu einer möglichen Heilung oder Entscheidung zu erarbeiten.
Dabei ist es entscheidend, dass ich die tieferliegenden Ursachen des Verhaltens beider Partner mit ihnen zusammen untersuche. Die Person, die die Affäre begangen hat, muss nicht nur für die Tat zur Verantwortung gezogen werden, sondern es gilt auch, die zugrunde liegenden Bedürfnisse und emotionalen Dynamiken zu reflektieren, die zu der Affäre geführt haben. Ebenso wichtig ist es, dem Partner, der betrogen wurde, Raum zu geben, um seine eigenen Bedürfnisse, Verletzungen und Ängste auszudrücken. In einem geschützten Rahmen, in dem beide Partner gehört werden, kann das gegenseitige Verständnis wachsen, und die Distanz, die durch den Vertrauensbruch entstanden ist, kann Schritt für Schritt verringert werden.
Meine Aufgabe als Therapeutin ist es, dafür zu sorgen, dass keine der Parteien sich angegriffen oder ungerecht behandelt fühlt. Die Unterstützung, die ich anbiete, zielt darauf ab, eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der Empathie zu schaffen. So kann Vertrauen allmählich wieder aufgebaut werden – nicht nur durch Worte, sondern auch durch die Veränderung von Verhaltensmustern und die Überwindung alter Wunden.
Es ist oft ein komplexer Prozess, bei dem es nicht nur um den Heilungsweg nach der Affäre geht, sondern auch um die Verbesserung der Kommunikation und das Klären von Missverständnissen. Als Therapeutin unterstütze ich das Paar dabei, neue Wege der Interaktion zu entwickeln und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die für beide Partner respektvoll und nachhaltig sind. Dabei bleibt der Fokus immer auf der individuellen und gemeinsamen Weiterentwicklung der Beziehung.
Meine Erfahrung hat gezeigt, dass der Weg der Therapie bei Affären nicht immer die "Rettung" der Beziehung bedeutet. Manchmal zeigt sich, dass eine Trennung der sinnvollere Schritt ist. Aber auch in diesem Fall ist meine Aufgabe, den Paaren zu helfen, diesen Schritt mit Klarheit und in einem respektvollen Rahmen zu gehen.