Auf welche Weisen beeinflussen Hormone unsere Beziehungen

Die Dynamik zwischen zwei Menschen in einer Beziehung ist faszinierend und vielschichtig. Gefühle wie Liebe, Anziehung, Vertrauen und Intimität werden von komplexen biochemischen Prozessen beeinflusst. Hormone spielen dabei eine entscheidende Rolle und wirken subtil auf unser Verhalten, unsere Emotionen und die Art und Weise, wie wir unsere Beziehungen erleben. Wissenschaftler wie Helen Fisher, John Gottman und Sue Johnson haben gezeigt, wie hormonelle Prozesse unsere zwischenmenschlichen Bindungen prägen und beeinflussen können. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Hormone, die unsere Beziehungen beeinflussen, und erklären, wie sie unsere Bindung und unser Verlangen steuern.

1. Oxytocin – Das „Bindungs- und Kuschelhormon“

Oxytocin ist vielleicht das bekannteste Hormon, wenn es um Liebe und Zuneigung geht. Es wird oft als „Kuschelhormon“ bezeichnet, weil es bei körperlicher Nähe und Berührung freigesetzt wird. Besonders bei Umarmungen, Küssen oder während des Orgasmus schüttet unser Körper hohe Mengen an Oxytocin aus. Dieses Hormon fördert das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und tiefer emotionaler Bindung.

Die Anthropologin Helen Fisher (Warum wir lieben: Die Chemie der Leidenschaft), die sich intensiv mit der Biochemie der Liebe beschäftigt hat, beschreibt Oxytocin als entscheidend für die Bindungsphase in einer Beziehung. Laut Fisher trägt Oxytocin dazu bei, dass Partner emotional verbunden bleiben, nachdem die anfängliche Leidenschaft nachlässt. Es hilft, langfristige Bindungen aufzubauen und sorgt dafür, dass wir uns geborgen und sicher in der Beziehung fühlen.

Wie es die Beziehung beeinflusst: Hohe Oxytocinspiegel fördern emotionale Nähe und Vertrauen zwischen Partnern. Es hilft dabei, Konflikte zu überstehen und stärkt das Gefühl, dass man sich aufeinander verlassen kann.

Praxis-Tipp: Körperliche Nähe! Regelmäßiges Umarmen (gerne mehr als 5 Sekunden) und Berührungen der nackten Haut - gerne ohne Absicht oder Ziel - regen die Ausschüttung von Oxytocin an und können eure emotionale Bindung stärken.

2. Dopamin – Das „Belohnungshormon“

Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter im Belohnungssystem unseres Gehirns. Es sorgt dafür, dass wir uns gut fühlen, wenn wir etwas Angenehmes erleben, wie zum Beispiel eine neue Liebe, aufregende Aktivitäten oder Erfolge. In der Anfangsphase einer Beziehung ist der Dopaminspiegel oft besonders hoch, was das Gefühl von Verliebtheit so berauschend und aufregend macht.

Helen Fisher hebt in ihrer Theorie der „drei Gehirnsysteme der Liebe“ die Bedeutung von Dopamin in der Phase der romantischen Anziehung hervor. Laut Fisher sorgt der hohe Dopaminspiegel in der Verliebtheitsphase für Aufregung und Euphorie, indem er das Gehirn dazu bringt, das Belohnungssystem zu aktivieren. Wir erleben das „Hoch“ der Liebe als intensives Verlangen nach dem anderen Menschen.

Wie es die Beziehung beeinflusst: Dopamin sorgt für das Hochgefühl und die Euphorie in der Anfangsphase einer Beziehung. Wenn der Dopaminspiegel sinkt, kann die Beziehung etwas an Spannung verlieren, was aber auch Raum für tiefere emotionale Verbindungen schafft.

Praxis-Tipp: Um die Dopaminausschüttung zu fördern, könnt ihr regelmäßig Neues ausprobieren – ob Reisen, spontane Aktivitäten oder gemeinsame Hobbys. Veränderungen und Überraschungen bringen frischen Wind in die Beziehung.

3. Testosteron – Das „Lusthormon“

Testosteron, das bei Männern und Frauen produziert wird, ist entscheidend für den Sexualtrieb und das sexuelle Verlangen. Bei Männern wird es mit erhöhter Libido und Aggressivität in Verbindung gebracht, aber auch bei Frauen beeinflusst es das sexuelle Selbstbewusstsein und die Lust. Interessanterweise zeigt die Forschung, dass Männer in Beziehungen oft einen niedrigeren Testosteronspiegel haben als Single-Männer – ein Zeichen dafür, dass stabile Bindungen biologisch weniger auf Wettkampf und Fortpflanzung ausgelegt sind.

David Buss (The Evolution of Desire: Strategies of Human Mating), ein führender Evolutionspsychologe, betont in seiner Theorie der „Sexuellen Selektion“, dass Testosteron als Hormon eine zentrale Rolle in der Partnerwahl spielt. Es fördert nicht nur das Verlangen, sondern auch das Verhalten, das darauf abzielt, Partner anzuziehen und zu halten. Seine Forschung unterstreicht, wie hormonelle Unterschiede das Paarungsverhalten und die sexuelle Anziehung beeinflussen.

Wie es die Beziehung beeinflusst: Ein hoher Testosteronspiegel erhöht das sexuelle Verlangen und trägt zur körperlichen Anziehung zwischen Partnern bei. Ein Absinken des Testosterons kann hingegen das Interesse an Sex und die sexuelle Intimität verringern.

Praxis-Tipp: Körperliche Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lebensstil können dazu beitragen, den Testosteronspiegel stabil zu halten. Regelmäßige Kommunikation über Wünsche und Bedürfnisse im Sexualleben kann ebenfalls helfen, Intimität und Verlangen in der Beziehung zu erhalten.

4. Serotonin – Das „Wohlfühlhormon“

Serotonin ist ein Hormon, das oft mit der Regulierung unserer Stimmung und des allgemeinen Wohlbefindens in Verbindung gebracht wird. Hohe Serotoninwerte tragen zu einem Gefühl von Zufriedenheit und emotionaler Stabilität bei. Ein ausgeglichener Serotoninspiegel ermöglicht es uns, uns entspannt und glücklich zu fühlen, was besonders in stressigen Zeiten der Beziehung wichtig ist.

John Gottman, ein renommierter Paartherapeut, dessen Forschungen sich auf die Dynamik zwischen Paaren fokussieren, zeigt auf, wie emotionale Stabilität und Glück, die oft mit Serotonin verbunden sind, Konflikte entschärfen können. Paare, die in der Lage sind, emotionale Selbstregulierung zu praktizieren, zeigen laut Gottman eine höhere Beziehungszufriedenheit und eine stärkere Bindung.

Wie es die Beziehung beeinflusst: Wenn du dich entspannt und ausgeglichen fühlst, wird es leichter, geduldig mit deinem Partner zu sein und Konflikte auf eine gesunde Art zu lösen. Niedrige Serotoninspiegel können hingegen zu Missverständnissen und Spannungen führen.

Praxis-Tipp: Stressmanagement und Entspannungsübungen, wie Meditation, Yoga oder gemeinsame Spaziergänge in der Natur, können den Serotoninspiegel positiv beeinflussen und dazu beitragen, das Wohlbefinden in der Beziehung zu fördern.

5. Cortisol – Das „Stresshormon“

Cortisol wird in stressigen Situationen freigesetzt und kann, wenn es chronisch hoch ist, negative Auswirkungen auf unsere Beziehungen haben. Hohe Cortisolspiegel fördern Gereiztheit, emotionale Distanz und sinkendes Interesse an Intimität. Laut John Gottman sind hohe Stresslevels einer der häufigsten Gründe für Beziehungskonflikte. Seine Forschung zeigt, dass Paare, die gelernt haben, Stress zu reduzieren, harmonischer miteinander umgehen und tiefere emotionale Verbindungen aufbauen.

Sue Johnson, die Begründerin der „Emotionsfokussierten Paartherapie“ (EFT), betont die Bedeutung von emotionaler Sicherheit in Beziehungen. Wenn Cortisol chronisch erhöht ist, kann dies die Fähigkeit beeinträchtigen, emotionale Sicherheit und Vertrauen aufzubauen. EFT fokussiert darauf, Paare in ihrer Fähigkeit zu stärken, Stress und emotionale Distanz abzubauen, um wieder eine sichere Bindung zu fördern.

Wie es die Beziehung beeinflusst: Chronischer Stress und hohe Cortisolwerte führen häufig zu Gereiztheit, Erschöpfung und mangelndem Interesse an Intimität. Dies kann die Beziehung belasten und zu einem Gefühl von emotionaler Distanz führen.

Praxis-Tipp: Stressabbau ist entscheidend für das Wohlbefinden in der Beziehung. Achtet darauf, regelmäßige Pausen einzulegen, Zeit für Entspannung zu finden und offen über Belastungen und Stressfaktoren zu sprechen.

Fazit: Hormone beeinflussen uns in jeglicher Beziehung

Hormone beeinflussen auf subtile, aber tiefgreifende Weise unsere Beziehungen. Sie wirken auf unsere Gefühle von Nähe, Vertrauen und Verlangen und steuern, wie wir Liebe und Intimität erleben. Ein besseres Verständnis dieser hormonellen Prozesse kann dazu beitragen, die Dynamik in Beziehungen bewusster wahrzunehmen und besser miteinander umzugehen. So lassen sich Herausforderungen konstruktiver angehen und die Verbindung zwischen Partnern besser nachvollziehen.

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